Tür in der Schönhauser Allee, Bernd Heyden 1976
Erlösung
Die westliche Gesellschaft des 21. Jahrhunderts scheint erstarrt zu sein – die Utopien sind tot, die Proteste beendet, und wir flüchten uns in eine neue Bürgerlichkeit. Revolutionen finden längst woanders statt. Wir haben uns daran gewöhnt, in einer Welt zu leben, die wir nicht mehr durchschauen und deren Strukturen und Mechanismen wir nicht mehr überblicken. Bereitwillig geben wir die Verantwortung für unser Leben an ein höheres Machtprinzip ab. Die Krise der Finanzwirtschaft zeigt, wie ausgeliefert wir einem System sind, das wir nicht kennen und das wir vielleicht auch gar nicht kennen wollen. Aber wer ist verantwortlich für das Elend in der Welt? Machen wir uns zu Opfern eines Systems, das wir selbst mittragen?
Doch gleichzeitig zu dieser freiwilligen Auslieferung schreien wir nach Freiheit, Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung, die wir mehr denn je im individuellen Seelenheil suchen. Doch in den Mechanismen der Konkurrenzwirtschaft kann jeder nur für seine eigene Erlösung sorgen und sei es auf Kosten der anderen. Die Weltrettung wird dagegen an „höhere Mächte“ delegiert.
Auch der Alexanderplatz im Zentrum Berlins steht im Spannungsfeld von freiwilliger Auslieferung und dem Wunsch nach Utopie und Erlösung. Das ehemalige Zentrum Berlins ist ein Übergangsort, an dem die Symbolbauten aus sozialistischer Zeit leerstehen und noch nicht einem einheitlichen Stadtdesign unterworfen sind. Neben verachteten und zugleich verehrten Konsumwelten entstehen kleine Inseln der Utopie: wie der Kunstraum des .BHC Kollektivs im ehemaligen ungarischen Kulturinstitut. Jenseits des staatlich subventionierten oder profitabhängigen Kunstbetriebs bieten die alten Büroräume einen geschützten Freiraum für unabhängige Kunst.
Nachdem ctp 1.0 im vergangenen Jahr dem Zwang der Veränderung nachgespürt hat, begeben wir uns in diesem Jahr mit ctp 2.0 an einen Ort der Utopie. Aus dieser Traumwelt blicken wir wie durch ein Vergrößerungsglas über den Alexanderplatz und auf die Menschheit und ihre Suche nach „Erlösung“.